Bereits 2014 beklagte Dieter Höpfel, Prorektor für Studium, Lehre und Internationales an der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft, dass die Erstsemester immer schlechter vorbereitet seien. Auch alle ausbildenden Betriebe stellen fest, dass die Absolventen der deutschen Schulen die Anforderungen nicht bzw. meistens nicht erfüllen.
Diese seit vielen Jahren immer wieder vorgebrachten Klagen hätten bei den Verantwortlichen im Kultusministerium die Alarmglocken läuten lassen müssen. Doch was geschah? Nichts! Halt, das stimmt nicht ganz. Es geschah etwas, aber leider lief es wieder in die falsche Richtung. Inzwischen sind die einstmals sehr guten baden-württembergischen Schüler, die in Deutschland hinter Bayern auf Platz 2 rangierten, weiter abgerutscht. Das ist Skandal und Schande zugleich.
Betrachten wir die Rechtschreib- und Lesefertigkeiten, offenbart sich das ganze Elend. Man mag es kaum glauben, aber da wird Erstklässlern erst einmal etwas Falsches beigebracht, das sog. „lautgetreue“ Schreiben, um dann später, in Klasse 2 und 3 zu sagen: April, April! Die Folge: Nicht einmal die Hälfte der Drittklässler erfüllt die Mindeststandards, die die Kultusministerkonferenz für die Rechtschreibung formuliert hat. Jeder Erwachsene weiß, wie schwer es ist, sich etwas abzugewöhnen, was man sich angewöhnt hat. Die Leidtragenden sind die Schüler, die völlig ohne Schuld an dieser Misere sind. Sie leiden viele Jahre, manchmal ein Leben lang an den „erworbenen Defiziten“.
Hier muss auch ein anderer Aspekt angesprochen werden. Durch das aberwitzige Erlernen des Falschen geht wertvolle Zeit verloren, die für das Üben des Richtigen dringend erforderlich wäre. Vor kurzem erschien in den BNN ein Leserbrief (siehe unten) von Herrn Martin Seyfer, dem ich uneingeschränkt zustimme. Als Lehrer am Wirtschaftsgymnasium macht er täglich die traurige Erfahrung, dass selbst leistungsstarke Schüler in der Oberstufe noch erhebliche Schwierigkeiten mit der Rechtschreibung haben. Zwar hat die Kultusministerin Frau Eisenmann inzwischen die Grundschulen angewiesen, das lautgetreue Schreiben zu unterlassen. Das allein wird aber nicht reichen, denn bei etlichen Grundschullehrern fehlt die Einsicht. Da muss die Frau Kultusministerin noch erhebliche Überzeugungsarbeit leisten oder härter durchgreifen.
Das „ Bildungs-Elend“ darf man nicht allein der jetzigen grün-schwarzen Landesregierung oder der vorigen rot-grünen zuordnen. Die Wurzeln des Übels zeigten sich schon zu Zeiten, als die CDU alleinige Regierungspartei war. Mir und vielen meiner Kolleginnen und Kollegen stockte damals der Atem, als eine CDU-Kultusministerin (es war nicht Frau Schavan!) sich zu der aberwitzigen Äußerung verstieg: „Lernen muss endlich wieder Spaß machen!“ Wenn Lernen Spaß macht, ist das erfreulich. Wenn Lernen keinen Spaß macht, ist das schade, aber gelernt werden muss trotzdem. Wir gehen nicht zur Schule, um „Spaß“ zu haben, sondern um fit zu werden für das Leben. Non scholae sed vitae discimus! Im Leben sind die Dinge, die uns schwerfallen, das Problem, nicht das, was uns leicht fällt. Lernen bedeutet Verhaltensänderung. Wer ändert schon gerne sein Verhalten? Um erwachsen zu werden, muss aber genau das geschehen.
Ein weiterer Aspekt muss hier angesprochen werden. Über pädagogische Konzepte kann man trefflich streiten, aber die oft diskriminierenden Äußerungen über den „Frontalunterricht“ sind völlig verfehlt. Ein guter Frontalunterricht mit wechselnden Unterrichtsmethoden und -formen war früher das Übliche. Interessanterweise waren da die Leistungen der Schüler noch erfreulich.
Je mehr merkwürdige pädagogische Experimente stattfanden, umso schlechter wurden die Leistungen. Wenn ich heute von unzähligen Projekten höre und manches davon sehe, schwindet meine Hoffnung auf eine baldige Verbesserung der Situation. Die ständige Neuerfindung des Rades bringt gar nichts. In der Oberstufe sind ausgewählte Projekte durchaus sinnvoll. Vergleicht man aber die aufgewendete Zeit mit dem Lernerfolg, bestehen bei vielen Projekten ernste Zweifel an deren Sinn und Zweck.
In der AfD gibt es einige hervorragende Fachleute auf dem Gebiet der Bildung. Ich empfehle allen die Vorträge und Reden von Dr. Reiner Balzer. Vielleicht dringen seine Analysen und Vorschläge bei den anstehenden Gesprächen zur Bildungspolitik zu den Verantwortlichen durch und bewirken ein Umdenken und Umsteuern. Lassen wir uns leiten von Winston Churchill, der einst sagte: Never, never, never give up!
Autorin: Hella Henn-Künzel. Sie war 16 Jahre lang Schulleiterin des Wirtschaftsgymnasiums in Karlsruhe
Badische Neueste Nachrichten | Karlsruhe | DIE MEINUNG DER LESER | 21.12.2016
Üben und nochmal üben
Zur Rechtschreibung:
Die ausweichende Antwort des neuen PH-Rektors Rippe zu den schwachen Rechtschreib- und Leseleistungen baden-württembergischer Schüler hatte mich doch sehr überrascht. Die gründlichen Analysen zur bisherigen Schreib-wie-du-sprichst-Methodik/Schreiben-nach-Hören-Methode an vielen Grundschulen haben viele vergleichende Studien bereits erbracht. Demnach erfüllt die Hälfte der Drittklässler nicht einmal die Mindeststandards, die die Kultusministerkonferenz für die Rechtschreibung formuliert hat: Sie können „lautgetreu“ schreiben, bringen also nur zu Papier, was sie hören und werden erst, wenn überhaupt, in der zweiten oder dritten Klasse korrigiert. Die bewährte Fibel-Methode, die die Rechtschreibung systematisch vermittelt mit Übungen und sofortigen Korrekturen, bei der die Kinder Worte lesen, die so geschrieben werden, wie man sie spricht, hat an den meisten Grundschulen ausgedient und wurde durch die Schreiben-nach-Hören-Methode an vielen Grundschulen ersetzt. Selbst leistungsstarke Schüler haben im fortgeschrittenen Alter noch erhebliche Schwierigkeiten mit der korrekten Rechtschreibung, die nach dieser alternativen Methode gelernt hatten, wie ich tagtäglich in meinen eigenen Klassen am Wirtschaftsgymnasium feststellen kann. Rechtschreibung ist ein prozeduraler Lernprozess, argumentieren Hirnforscher. Und das heißt: Es geht nicht nur darum, das Prinzip zu verstehen, sondern zu üben und nochmal zu üben. Genau das geschieht in den meisten Grundschulen nicht mehr. Da es zur Vermittlung der Rechtschreibmethode keine Vorgaben im Bildungsplan der Grundschulen gibt, sollten die Eltern bei den Schulleitungen Druck machen,
Und in den Grundschulen nachfragen, ob sie nach der Fibel-Methode unterrichten beziehungsweise wo guter Rechtschreibunterricht stattfindet und dieses dann bekannt machen. Angesichts schwindender Schülerzahlen müssten sich die Schulen dem Druck rasch beugen.
Martin Seyfer
Karlsruhe-Durlach
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